Ulrich Wickert

Artikel über mich

„Die alten sozialen Werte sind die beste Gegenwehr“

08.10.2011, Die Welt

Nicht ganz leicht, gegen die Auswüchse der Gegenwart zu wettern, ohne in die Attitüde des Kulturpessimisten zu verfallen. Aber man kann es schaffen. Man kann durchaus den Werteverfall anprangern, ohne den Untergang des Abendlands herbeizuraunen. Wenn man gut informiert ist. Wenn man Daten und Fakten nennt. Wenn man, mit einem Wort: rational argumentiert. Und das tut Ulrich Wickert wie nur wenige andere Meinungsmacher unserer Tage.

Bereits in „Der Ehrliche ist der Dumme“ oder „Gauner muss man Gauner nennen“ hat er das gezeigt. Nun führt er seine engagierte, doch niemals enragierte Zeitkritik am Beispiel des heutigen Finanzgebarens fort. „Redet Geld, schweigt die Welt. Was uns Werte wert sein müssen“ heißt das Buch, mit einer vielleicht allzu eingängigen Anleihe beim sprichwörtlichen Volksmund. Doch das sollte niemanden von der lohnenden Lektüre abhalten. Denn so konkret uns Wickert noch einmal in Erinnerung ruft, wie verantwortungs-, ja skrupellos in den vergangenen Jahren das Geschäft mit der menschlichen Gier betrieben wurde: Im Kern geht es ihm um ein ethisches Problem. Wickert will zeigen, dass die rücksichtslose Durchsetzung der Gewinnmaximierung nicht nur moralisch anfechtbar, menschlich unsympathisch ist – sondern auch der Sache selbst, will sagen der wirtschaftlichen Kraft, abträglich. Seit Jahren schon predigen Finanzgewaltige: Wenn’s ums Geld geht, muss man den Egoismus zur Tugend erheben. Doch Wickert ist vom Gegenteil überzeugt. Am Beispiel von großen Unternehmern aus Vergangenheit und Gott sei Dank auch Gegenwart kann er zeigen, dass gerade dort die Geschäfte florieren, wo Anstand, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft und Solidarität herrschen. Dazu fällt ihm nicht nur der immer gern zitierte Robert Bosch ein.

Darüber hinaus beschäftigt sich Wickert auch mit dem allgemeinen Klima des Westens, in dem Gier und Geiz so gut gedeihen. Er führt das zurück auf die Dominanz dessen, was er „systemisches Denken“ nennt. „Tatsächlich wird Gier nicht mehr als persönliches Laster angesehen, sondern als etwas, das vom System gefördert wird.“ Doch das sei, egal ob es nun von Finanzexperten oder Neoliberalen vorgebracht werde, nichts als eine faule Ausrede, denn: „Es ist stets der Mensch, der handelt.“ Und, auch das nimmt Wickert in den Blick, in unserer Rechtsprechung und übrigens auch in der christlichen Religion sind die Vorstellungen von gut und böse, gerecht und ungerecht durchaus intakt. Insgesamt ist Wickerts Rehabilitierung der sozialen Tugenden ein gutes Abwehrmittel gegen Nebelwerfer aus der Hochfinanz.