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„Ex-Minister als Mordbube“
08.03.2014, SÄCHSISCHE ZEITUNG
Ulrich Wickert schickt seinen Krimihelden nach Marokko und tief unter die Erde.
Aufbauschen und Dramatisieren, das gehörte nicht zum Stil von Ulrich Wickert, als er das bekannteste Gesicht der ARD-„Tagesthemen“ war. Gediegene Sachkenntnis, sicheres Urteil, gepflegte Sprache und ruhige Ironie prägten seine Moderationen und charakterisieren auch seine Kriminalromane. Im Mittelpunkt steht dort der Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou, ein friedlicher Mensch, der aber beispielhafte Zivilcourage und Entschlossenheit an den Tag legt, wenn er wieder einmal hässliche Blüten im Sumpf von Politik und Korruption entdeckt hat.
Der 71-jährige Ulrich Wickert kennt und liebt Frankreich und hat einmal ein Buch darüber geschrieben, welches Glück es ist, Franzose zu sein. Offenbar ist er trotz distanzierter Erzählweise durchaus angetan vom Alltag seines Helden – mit Wangenküssen, Restaurantbesuchen und Liebesnächten wirkt das alles so lässig wie authentisch. Sein großes Ansehen hat sich Ricou freilich erworben, indem er den Regierenden so zusetzte, dass sie ihn durch den Geheimdienst umbringen lassen wollten.
Im neuen Buch, das nächste Woche erscheint, stinkt der Fisch wieder am Kopf. Bei Milliardengeschäften werden dreistellige Millionenbeträge als „Vermittlungshonorar“ gezahlt, wovon der größte Teil an Regierungsmitglieder zurückfließt. Einer der schmutzigen Deals wurde mit Marokko abgeschlossen, für das man einen Superschnellzug baut, den dort kein Mensch braucht.
In das nordafrikanische Land führen auch die Spuren eines mehrfachen Mordes in Paris, den nur ein kleines Mädchen überlebt hat. Also reist Ricou nach Marokko und muss dort, nachdem ein Anschlag auf ihn gescheitert ist, stundenlang in Gräben unter der Erde bleiben. Als er nach Paris zurückkehrt, ist seine Stellung als Untersuchungsrichter ein Glück. In dieser Funktion kann er Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse gegen Prominente ausstellen, auf die der mit ihm befreundete Kriminalkommissar sonst bis zum Nimmerleinstag warten müsste. Ausgerechnet ein ehemaliger Innenminister löste nämlich Mordaufträge aus, als seine schmutzigen Geschäfte ruchbar wurden. Seine Festnahme ist allen Beteiligten ein besonderes Fest.
Ulrich Wickert pflegt einen leichten Tonfall und legt trotzdem die ganze Brutalität der Geschäftemacher offen. Ihrem zweiten Anschlag fällt das kleine Mädchen trotz Polizeibewachung und Verstecks zum Opfer, auch weil nicht alle „kleinen Leute“ auf der Seite des Rechts stehen.
Rainer Rönsch