Ulrich Wickert

Artikel über mich

„Ich habe nie gearbeitet“

02.12.2017, Hamburger Abendblatt

Der ehemalige Chefmoderator der „Tagesthemen“ wird 75. Zeit für einen Rückblick auf „geruhsame Nächte“, auf Helmut Schmidt und Hamburg.

Es ist tatsächlich elf Jahre her, dass er dem deutschen Fernsehpublikum das letzte Mal eine „geruhsame Nacht“ wünschte. Ulrich Wickert, dessen „Tagesthemen“-Jahre eine Art Ära waren und der Fernsehen zu einer Zeit machte, als man mit einem kritischen „Monitor“-Beitrag das Wahlverhalten der Deutschen beeinflussen konnte, feiert an diesem Sonnabend seinen 75. Geburtstag.
Sentimental macht ihn das weniger, sein Terminkalender ist nach wie vor gut gefüllt. Einem Interview stimmt er gern zu – unter der Bedingung, dass er einen Zug nach Berlin schaffen müsse. Im Gespräch schaut er dann trotzdem nicht ein einziges Mal auf die Uhr. Es gibt einfach zu viel zu erzählen.

Sie werden am Wochenende 75 Jahre alt, und Ihr Verlag hat Ihre „Lebensthemen“ herausgegeben, eine Sammlung von Begegnungen, Gesprächen, Eindrücken. Haben Sie nie überlegt, eine richtige Autobiografie zu schreiben?

Ulrich Wickert: Nein. Andere fand ich immer interessanter als mich selbst.

Gab es jemanden, der Sie ganz besonders nachhaltig beeindruckt hat?

Wickert: Einige. Bekannte und weniger Bekannte. Mitterrand gehört sicher dazu, auch ­Willy Brandt.

Ich hätte erwartet, Sie nennen auch Helmut Schmidt.

Wickert: Mit Helmut Schmidt hatte ich eine schwierige Zeit, als er Kanzler war. Er war … schroff. Er wollte immer sehen, ob er einen beeindrucken konnte, ob er einem Angst machen konnte.

Konnte er?

Wickert: Ich bekam einmal einen Termin für ein Interview mit ihm. Ich komme dahin, werde in das Kanzlerbüro geführt, in einem Nebenraum ist alles für das Interview aufgebaut. Schmidt sitzt da und schreibt und schreibt und bellt schließlich: „Was wollen Sie?!“ – „Äh, wir wollen ein …“ – „Wer ist wir?“ Ich sage: „Ich möchte ein Interview …“ – Er unterbricht wieder: „Was soll ich da schon ­sagen?!“ Dann hab ich geschwiegen. Dann hat er geschwiegen. Er ging ans Fenster, sagte etwas zum Wetter, ging in den Nebenraum, sagte keinem Guten Tag, setzte sich in den Stuhl, wir machten das Interview. Dann gab es eine kleine Unterbrechung, und er nahm seinen Schnupftabak – und ich weiß nicht, was mich geritten hat, ich sagte jedenfalls: „Schnupfen Sie nur, oder spritzen Sie auch?“

Frech.

Wickert: Er hat laut gelacht. Da hat er wohl gemerkt: Den kriege ich nicht kaputt. Von da an war es ganz entspannt.

Mochten Sie Helmut Schmidt?

Wickert: Ich will es mal so sagen: Ich achte ihn immer noch sehr. Während ich mit Genscher ein freundschaftliches Verhältnis hatte, war Schmidt keine Persönlichkeit, die sich geöffnet hätte. Oder die sich jemandem wie mir geöffnet hat, so muss man es wohl sagen.

Herrn Genscher haben Sie mal gefragt, ob er ein Muttersöhnchen sei.

Wickert: Da passte es aber im Kontext. Genscher ging darauf ein und korrigierte: Muttersohn. Seine Mutter hat ja auch bis zum Ende bei ihm gewohnt.

Sie haben viele Politiker getroffen, viele Schauspieler, sehr viele Schriftsteller. ­Haben Sie jeweils einen Schlag Mensch ­erkannt? Eine Gruppe bevorzugt? Oder gibt es einfach interessante und weniger interessante Persönlichkeiten?

Wickert: Das Letztere ist es. Es gab zwei, drei Personen, die zu keiner der genannten Gruppen gehörten, die mich aber niemals losgelassen haben. Das eine ist der Bruder des letzten Kaisers von China. Das andere ist Hans Müller aus Düsseldorf. Von dem hörte ich, als ich 1979 in Peking drehte. Es hieß, er ist Mitglied des chinesischen Volkskongresses. Hans Müller aus Düsseldorf! Ich habe gesagt: Den möchte ich kennenlernen, über den möchte ich einen Film machen. Und es war wirklich eine unglaubliche Biografie, so etwas gibt es eigentlich gar nicht. 1939 war er als Feldchirurg von Mao nach China gegangen, ihre Operationssäle hatten sie in gegrabenen ­Löchern, seine Assistenten waren 14-jährige Waisenkinder. Unfassbar.

Hans Müller kommt auch in Ihren „Lebensthemen“ vor, Sie schildern ihn als einen nüchternen, nicht unbedingt charismatischen Mann. Was hat Sie an ihm so beeindruckt?

Wickert: Die Lebensgeschichte selbst. Er will immer wieder zurück nach Deutschland, die Chinesen sagen immer wieder: Ach, bleib doch noch, und er bleibt noch. Und wird Chinese. Er kannte irgendwann die gesamte Führungsmannschaft. Er hat Deng Xiaoping das Bridgespielen beigebracht und spielte einmal die Woche mit ihm! Er war in den Volkskongress als Delegierter aufgenommen worden. Das kann ich nie vergessen. Diese Biografie hat mich fasziniert. Wie auch eine andere: die von Samuel Cohen, dem Erfinder der Neutronenbombe.

Auch ihn schildern Sie in Ihrer Erinnerung fast als langweilig.

Wickert: Ja, aber dass einer sich hinsetzt, angeregt von dem, was er in Korea gesehen hat – man darf ja nicht vergessen, dass das sein Motiv war –, und mit dem Rechenschieber eine solche Bombe ausbaldowert. Mit dem Rechenschieber! Der Mann war halt ein mathematisches Genie. Ein Genie, das sich ansonsten fürs Rasenmähen und fürs Comiclesen interessierte.

Mochten Sie den?

Wickert: Er war sympathisch. Im Gegensatz zu einem anderen aus demselben Gebiet, einem Physiker, mit dem ich auch mehrere Interviews gemacht habe: Edward Teller, „Vater der Wasserstoffbombe“. Der hatte eine solche Aggressivität in sich, die verbreitete sich wie eine elektrische Ausstrahlung. Da habe ich dem Team gesagt: Baut schon mal ab, ich ­gehe an die Luft. Ich hab das nicht ausgehalten.

Hat Sie mal jemand rausgeschmissen?

Wickert: Ja! Ein Waffenhändler!

Das ist doch ehrenvoll, von einem Waffenhändler rausgeschmissen zu werden.

Wickert: Ja! Mit Gewehr! Ich hatte Mitte der 70er-Jahre Material zugespielt bekommen, wonach Saudi-Arabien bei einer deutschen Werft zwei Schnellboote bestellt hatte. Kopien aller Unterlagen – inklusive Auflistungen über die Bestechungsgelder, Namen, Summen, Kontonummern, alles. Darüber musste ich natürlich ein Stück machen, und ich bin zu dem Waffenhändler hin, der das alles vermittelt hatte, zwischen den Saudis und der Werft. Der wohnte bei Bonn. Raus, raus, raus! schrie er, mit einer Schrotflinte in der Hand. Er hielt sie nicht auf mich gerichtet, aber es passte doch irgendwie zum Thema. (lacht) 

Sind Sie darüber hinaus je in gefährliche ­Situationen gekommen?

Wickert: Ich bin nie in einer Kriegssituation gewesen. Die vielleicht unangenehmste Lage war wohl, als ich sehr viel über Rechtsradikale berichtet habe. Da gab es die rechtsradikale Aktion Widerstand und die Wiking-Jugend. Ich wusste da ganz gut Bescheid, hatte viel recherchiert und habe mich damals auch viel mit dem Verfassungsschutz ausgetauscht. Mal gab ich denen eine Information, mal bekam ich eine Adresse dafür. Einmal haben wir ein Winterlager der Wiking-Jugend in der Rhön ausgemacht und sind da hingefahren, haben die Kameras aufgestellt und die gefilmt, wie sie aus dem Wald kamen. Da sind die mit ihren Fahrtenmessern auf uns zu, haben die Kameras kaputt gemacht und die ­Filme rausgerissen. Wir sind dann zur Polizei nach Fulda gefahren, um Anzeige zu erstatten. Und da bekamen wir als Erstes zu hören: Die kommen seit zehn Jahren hierher, und nie gab es Probleme! Und jetzt kommen Sie, und schon gibt es Probleme!

Oh.

Wickert: Ja. Ich habe gesagt: Lassen Sie uns dahin gehen, ich kann Ihnen genau sagen, wer was gemacht hat. Und die sagten: Nein, das kriegen wir schon allein raus. Das Verfahren wurde eingestellt. Deswegen habe ich auch immer gesagt: Wir dürfen nicht vergessen, es gibt Sympathisanten in der Polizei. ’69 ist eine Zeit gewesen, wo es erst so richtig angefangen hat, dass über die Nazis diskutiert wurde.

Wo haben Sie früher Ihre Rolle gesehen, und wo sehen Sie sie jetzt? Verstehen Sie sich auch als ein Mahner?

Wickert: Bin ich nie gewesen. Die Aufgabe des Journalisten ist nicht zu mahnen, sondern aufzuklären. Als Aufklärer habe ich mich immer verstanden. Wenn ich ­zurückschaue, glaube ich, dass ich in Amerika politisiert wurde, durch mein Studium dort und durch die Wahrnehmung, dass die Studenten dort etwas diskutiert haben, wenn sie nicht zufrieden waren. Zur Not haben sie auch demonstriert. Dann bin ich zurückgekommen, Mitte der 60er-Jahre, und habe gesagt: Ich habe gelernt, man sollte Verantwortung in der Gesellschaft übernehmen. Gleich zur nächsten Wahl habe ich mich für das Studentenparlament aufstellen lassen.

Sind Sie gewählt worden?

Wickert: Ja. Mit den zweitmeisten Stimmen. Weil ich angekündigt hatte, es würde besseres Mensa-Essen geben.

Haben Sie Ihr Wahlversprechen eingelöst?

Wickert: Es gibt Leute, die haben behauptet, ein Jahr später sei es besser gewesen.

Hanns Joachim Friedrichs hat einst gesagt, man solle sich als Journalist mit keiner ­Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten. Stimmen Sie zu?

Wickert: Ich verstehe den Satz, stimme aber nicht ganz zu. Man darf den Satz jedenfalls nicht benutzen, um nichts zu tun. Hanns Joachim Friedrichs hat sich auch für gute Sachen eingesetzt, zum Beispiel dafür, dass Berlin Bundeshauptstadt wurde. Ich interpretiere den Satz so: Man soll sich einsetzen, aber nicht zum eigenen Nutzen.

Haltung zeigen.

Wickert: Haltung zeigen. Claus Richter, der jetzt der Vorsitzende des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises ist und der in der Zeit von Lech Walesa Korrespondent in Polen war, sagt: Wenn ich in so einer Situation bin, ist es doch ganz klar, dass der Journalist auf der Seite der Unterdrückten ist. So sehe ich das auch.

Sie haben Siegfried Lenz einmal nach einem Camus-Zitat gefragt: „Man muss sein Leben rechtfertigen.“ Ich gebe die Frage weiter: Müssen oder können Sie das, Ihr Leben rechtfertigen?

Wickert: Ich gebe die gleiche Antwort wie Lenz: Mein Werk ist meine Rechtfertigung.

Sie haben bewusst keine Autobiografie geschrieben – aber Sie haben doch auch über Ihr Leben geschrieben. Kann man das Leben ausdehnen oder festhalten, indem man es aufschreibt oder einen Film darüber macht?

Wickert: Sie können immer nur Momente festhalten. Ich glaube nicht, dass Sie ein Leben festhalten können.

Einen besonders interessanter Moment war vermutlich jener, als Sie mit Arthur Miller Tennis gespielt haben.

Wickert: Ja!

Auf dem Tennisplatz von Dustin Hoffman …

Wickert: Und es kam ja sogar noch besser: auf dem Tennisplatz von Dustin Hoffman, der gerade mit John Malkovich den „Tod eines Handlungsreisenden“ probte, inszeniert von Arthur Miller. Verrückt, oder? Diese Inszenierung hat dann später Schlöndorff verfilmt. Und Malkovich war irgend so ein junger Nachwuchsschauspieler aus Chicago. (lacht) 

Ist einem in so einem Moment bewusst, wie besonders das ist? Oder erst in der Rückschau?

Wickert: Das war für mich schon damals etwas Historisches. Arthur Miller war ja schon einer der wichtigsten amerikanischen Autoren, das ist ja gar keine Frage. Und Dustin Hoffman war schon einer der großen Schauspieler. So einen Moment zu erleben, das war etwas Besonderes.

Haben Sie eigentlich je Tagebuch geführt?

Wickert: Nee. Ich wollte nie aufschreiben, was ich gemacht habe, ich wollte immer nach vorn gucken. Ich bin immer ganz erstaunt, wenn ich höre, dass Leute sich jeden Abend hinsetzen und zehn Sätze über ihren Tag notieren. Das ist nichts für mich.

Vielleicht haben Sie ein besseres Erinnerungsvermögen als andere?

Wickert: Weiß ich nicht. Aber gewisse Dinge kommen einem ja ganz leicht wieder in den Kopf, wenn man darüber redet. Oder, klar, einen Film macht oder ein Buch. Aber ich nenne ein durchaus persönliches Buch wie „Neugier und Übermut“ absichtlich eine „Arbeitsbiografie“, genau das ist es.

Neugier ist ein gutes Stichwort. Lässt die ­jemals nach?

Wickert: Nein!! Um Gottes willen! Hören Sie! Es passieren doch immer wieder neue Geschichten, ist doch abenteuerlich, was alles passiert! Ich denke zu Beispiel gerade sehr stark darüber nach, was eigentlich Menschen motiviert, die AfD zu wählen. Und ich komme da auf das Thema Heimat. Und ich stelle mir Fragen und sehe, dass man zum Beispiel in Hamburg in der Oberstufe das Fach Geschichte abwählen kann. Da sehe ich eine Gedankenlosigkeit in der Politik, die verblüffend ist. Über Bildungspolitik kann man viel nachdenken. Es geht mir nicht um einen rechten oder romantischen Heimatbegriff. Mich interessiert: Was bildet im Kopf der Menschen eigentlich ein Heimatgefühl?

Was ist es bei Ihnen?

Wickert: Ich habe in meinem Leben sehr viel im Ausland gelebt. Ich bin erst im Ausland Deutscher geworden, da wird es einem bewusst. Wer die deutsche Identität verleugnet, der möchte nicht mit dem belastet werden, was auch zu dieser Identität gehört, nämlich die Vernichtung von Millionen von Menschen in Gaskammern. Ich denke sehr viel über solche Verbindungen nach.

Ist dieses Nachdenken zielgerichtet? Mündet das in der Regel in einem Essay oder einem Buch?

Wickert: Kann sein. Weiß ich noch nicht. Ich habe gerade ein Buch über Frankreich geschrieben, in dem es auch ganz stark über die Identitätskrise der Franzosen geht.

Schreiben Sie jeden Tag?

Wickert: Wenn ich an einem Projekt bin: ja. Sonst habe ich viele andere Dinge zu tun – Ihnen ein Interview geben oder nach Saarbrücken zu einer Lesung fahren. Der typische Schreibtag sieht so aus, dass ich um neun Uhr erst einmal die Zeitung lese. Das muss ich. Das Hamburger Abendblatt, die „Bild“-Zeitung, die „FAZ“, die „Süddeutsche Zeitung“, „Le Monde“ und die „International New York Times“ – ich bekomme die jeden Tag geliefert und lese die alle auch jeden Tag. Gegen halb elf setze ich mich an den Schreibtisch und schreibe. In Schreibphasen verabrede ich mich nie zum Mittagessen. Um halb vier, vier wartet dann die alltägliche Verwaltung des Lebens. Aber ich schalte ja meinen Kopf nicht aus, es geht ja weiter. Selbst wenn ich ins Bett gehe, ich habe das immer noch im Kopf. Aber das ist wunderbar! Ich schlafe ein, und sollte ich nachts mal aufwachen, habe ich sofort etwas zum Nachdenken. Es ist sehr schön, ein Buch zu schreiben.

Ist das Krimischreiben das erholsamere Schreiben?

Wickert: Das Frankreich-Buch hat mich eindeutig mehr angestrengt als ein Krimi. Beim Krimi bin ich viel freier. Da entscheide ich ja. Ach, diese Figur brauche ich nicht mehr, na gut, dann lasse ich sie auf eine Mine treten, dann ist sie weg.

Sie spielen Gott!

Wickert: Es gibt ja immer wieder Autoren, die ­behaupten, ihre Figuren hätten sich selbstständig gemacht. Überhaupt nicht! Ich bestimme. Bei mir macht sich keine Figur selbstständig!

Ionesco hat Ihnen einmal gesagt, er habe in seinem Leben nie gearbeitet. Wie ist das bei Ihnen?

Wickert: Ich habe auch nie gearbeitet. Ich habe mein erstes juristisches Examen gemacht und habe gesagt: Damit möchte ich nichts mehr zu tun haben. Dann bin ich durch Zufall zum Journalismus gekommen. Weil es Spaß macht. Es hat fast immer Spaß gemacht.

Reisen Sie immer noch gern?

Wickert: Unbedingt. Am schönsten ist es immer noch, wenn man nicht als Tourist kommt, sondern wenn man als jemand kommt, der dort etwas zu tun hat.

Gibt es ein Land, das auf Ihrer Wunschliste steht?

Wickert: Bhutan. Ich war noch nie in Bhutan. Ich war ’79 in Tibet, zu einer Zeit, als man da noch nicht hinkonnte. Ich konnte nur deshalb hin, weil mein Vater auf diplomatischem Posten in Peking war und die Genehmigung bekommen hatte. Ich durfte als Sohn mitfahren und durfte auch drehen. Das war faszinierend, weil es gerade der Beginn der Öffnung war. Die Mönche durften wieder in die Klöster gehen, die Bevölkerung durfte wieder beten. Es gab in Fell gekleidete Familien, wie im Mittelalter und diese Gebetsprozessionen nach Lhasa, aufstehen, hinwerfen, wieder aufstehen, es war abenteuerlich. Für mich war es ein unglaubliches Erlebnis, auch die Natur war beeindruckend. Sie sind da zwischen 4000 und 5000 Metern Höhe, und Sie haben im Licht keine Rottöne mehr, es ist alles gleißendes, helles Licht. Noch abenteuerlicher muss es in Bhutan sein.

Sie sind Offizier der französischen Ehren­legion. Das klingt auch abenteuerlich. Was tut man da so?

Wickert: Ich stecke ab und zu die Rosette ans Revers. Ansonsten: gar nichts. (lacht) Aber ich habe ein Anrecht auf eine Einzelzelle im Gefängnis und darf mir im Gefängnis das Essen aus einem nahe gelegenen Restaurant liefern lassen. So ist Frankreich! Die Leute, die 1789 in den Kerkern und Käfigen saßen und darauf gewartet haben, geköpft zu werden, die haben sich immer noch die nettesten Leckereien kommen lassen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Klingt aber gut.

Warum leben Sie eigentlich in Hamburg? Sie könnten ja frei wählen.

Wickert: Ich kann nicht frei wählen, meine Frau arbeitet in Hamburg.

Sie haben mehrfach gesagt, Sie würden gern an einem Ort leben, „wo es warm ist und wo viel los ist“. Da fällt Hamburg einem jetzt nicht als Erstes ein.

Wickert: Nein. Aber meine Seele wird hier gewärmt, das ist das Wichtigste.