Ulrich Wickert

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Podcast „Wickert trifft.“: Grünen CO-Vorsitzende Baerbock über Mut im Sport und in der Politik und was wir als Gesellschaft vom Ausland lernen können

Der rote Faden, der sich durch das Gespräch zwischen Wickert und Baerbock zieht, ist der Sport in jungen Jahren, der die Politikerin bis heute prägt. Den Mut zu haben, sich selbst für geeignet zu befinden, bei der deutschen Meisterschaft im Trampolinspringen anzutreten, habe sie gelehrt auch später zu sagen: „Jetzt springe ich“, jetzt werde sie Parteivorsitzende.

Mit fünf Jahren wurde der Niedersächsin das Kinderturnen im Dorf zu langweilig und sie wagte den Schritt zum Kunstturnen und dem damals noch unbekannten Trampolinspringen. Doch wie schon ihr Vater immer zu ihr sagte: „Wenn es drauf ankam, kamen die Nerven ins Spiel.“ Baerbock erzählt im Podcast davon, wie sie als Kind endlich beschlossen habe, sich nicht mit dem dritten Platz zufrieden zu stellen und dann an ihrem eigenen Ehrgeiz scheiterte. Trotz Fieber schleppte sie sich zum Training, was in einem Knöchelbruch und Tränen im Krankenhaus endete. „Ich weine nicht vor Schmerzen“, entgegnete die junge Annalena dem Arzt, „ich wollte deutsche Meisterin werden“. Heute weiß sie: „Man muss Mut haben, aber keinen Übermut.“

Diesen Mut bewies sie später erneut, als sie mit 16 ein Auslandsjahr in Amerika antrat, als damals Erste in ihrem Umfeld. In Florida lernte sie, wie stark eine Sprachbarriere den kulturellen Austausch beeinflussen kann. Wo sie vorher mit viel Ironie glänzte, fühlte sie sich plötzlich unverstanden. „Die Leute verstehen gar nicht, wer ich eigentlich bin“, dachte sie damals. Wieder war es der Sport, diesmal der Fußball, der ihr geholfen habe. Trotz großem Heimweh und Startschwierigkeiten, habe sie viel aus dem Auslandsaufenthalt mitgenommen. Jeder sollte einmal im Leben erfahren, was es bedeute Fremder zu sein, so Baerbock. Erst wenn man neue politische Systeme erfährt, sagt sie, könne man auch einerseits schätzen, was der deutsche Sozialstaat alles ermöglicht, was sie später schmerzlich während ihres Masterstudiums an der London School of Economics erfahren musste ­- Durch eine schwere Nieren-Entzündung habe sie das deutsche Gesundheitssystem vermissen gelernt – und andererseits kann und müsse man sich auch von anderen Systemen inspirieren lassen und immer wieder hinterfragen.

Ulrich Wickert fragt Annalena Baerbock, wie sie schließlich bei den Grünen gelandet sei. „Für mich war klar, ich will Journalistin werden und über die Gräueltaten der Welt berichten. Ist dann alles anders gekommen, so ist das im Leben“, so Baerbock. Der Parteieintritt sei für sie, mit dem eigentlichen Berufswunsch im Hinterkopf, aber nicht leicht gewesen. Als Praktikantin im Europaparlament wollte sie Politik von innen kennenlernen, wurde dann aber 2004, bei der Osterweiterung der EU auf der Oderbrücke zwischen Frankfurt/Oder und Slubice, in ihren Überlegungen in eine Partei einzutreten, bestärkt. Der ehemalige Kriegsschauplatz, an dem ihr Großvater als Soldat im Einsatz war, „hat mich emotional bewegt und zum Eintritt in die Partei überzeugt.“

Wickert und Baerbock sinnieren über Freiheit, die Relevanz einer Aufarbeitung der deutschen Geschichte in der Schule und kulturelles Selbstverständnis. Als Wickert die Politikerin mit einer, seiner Meinung nach, kontraproduktiven Kanzlerkandidatur der Grünen konfrontiert, kommt die sonst um keine Antwort verlegene Annalena Baerbock ins Stocken. „Wollen sie sagen, ich bin unrealistisch?“, fragt sie Wickert. „Da habe ich jetzt ein gutes Jahr, um Sie und andere vom Gegenteil zu überzeugen. Wir haben eine Chance, Dinge auch anders zu denken.“, auch das habe sie in Auslandsaufenthalten und dem Sport gelernt. Man brauche nur den Mut dazu.