Ulrich Wickert

Artikel über mich

Sind Romane das wahre Leben, Herr Wickert?

26.10.2025, bild.de

Begegnung mit der „Tagesthemen“-Legende

Hamburg – Ulrich Wickert ist Journalist, Autor, Europäer, Ehemann, Vater, Großvater, Wahl-Hamburger. Doch vor allem ist er ein Liebender. Ein Liebender der Sprache, der Wahrheit und einer Stadt, die für ihn längst mehr als ein Sehnsuchtsort geworden ist: Paris.

Mit seinem neuen Kriminalroman „Der Raub im Tunnel“ (22 Euro, Piper-Verlag, erscheint am 31. Oktober), dem achten Fall des Pariser Untersuchungsrichters Jacques Ricou und der Journalistin Margaux, beweist Wickert einmal mehr, dass er nicht nur politische Realität versteht, sondern sie in spannende Fiktion verwandeln kann. Diesmal führt er seine Leser in die Welt der Kryptowährungen, Korruption und Kunst. In ein Paris voller Geheimnisse, in dem jedes Detail stimmt, vom Bistro mit rot-weiß karierten Tischdecken bis hin zum perfekten Croissant.

Journalist Ulrich Wickert entspannt sich draußen im Café bei einer Tasse Kaffee.
Ulrich Wickert (82) beim Termin mit BILD in Hamburg. Seit 1981 hat der Journalist zahlreiche Bücher veröffentlicht, jetzt erscheint ein neuer Roman Foto: Ralf Günther/BILD

Selbstredend trifft sich Wickert mit BILD auch in Hamburg an einem dieser kleinen, französischen Sehnsuchtsorte zum Gespräch. Im französischen Café „Par ici!“ ist er Stammgast. Wir trinken Milchkaffee aus der Bol, wie es die Franzosen tun, und reden über seine Liebe zu Paris. Die Stadt ist für Wickert „eine zweite Heimat“, sagt er und lächelt. Schon als Kind lebte er dort, besuchte die Schule, fand Freunde fürs Leben.

Später war er als Auslandskorrespondent und Studioleiter der ARD in Paris tätig, bevor er für lange Jahre eines der vertrautesten Fernsehgesichter Deutschlands wurde. Als Moderator der „Tagesthemen“ (von 1991 bis 2006).

Noch heute kehrt er regelmäßig mit seiner Frau Julia Jäkel (verheiratet seit 2003) zurück nach Paris, geht einkaufen, spaziert durch die Straßen oder an den Ufern der Seine, sitzt in Cafés im Quartier Latin, kleinen Bistros mit karierten Tischdecken. Er beobachtet, hört zu, und all das findet Eingang in seine Kriminalromane. „Ich muss die Orte sehen, über die ich schreibe“, erzählt er.

Wenn seine Figuren im Roman in einem Pariser Lokal essen, dann hat er dort wirklich gegessen. Neue Geschäfte, gesperrte Straßen, ein gefällter Baum. Seine Bücher sind gesättigt von dieser Authentizität. Wirklichkeit und Fiktion, Stadt und Geschichte, Leben und Erzählung ineinander verwoben.

Wickerts Romane sind aktuell

Auch in seinem Ferienhaus in Südfrankreich schreibt er, sammelt Ideen, liest französische Zeitungen. Ein Ort der Ruhe, an dem die Ideen keimen, bevor sie in Papier gegossen werden. „Ich lese ,Le Monde‘, ,Le Figaro‘. Jeden Tag.“ So bleiben seine Romane nicht nur spannend, sondern auch zeitgeistig, verwoben mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen.

Wickert beschreibt sich selbst als „Handwerker. Aber einer, der liebt, was er tut.“ Er schreibt diszipliniert, ohne auf die Muse zu warten, schildert er mit einem Augenzwinkern. „Ich setze mich morgens hin, lese, überarbeite und schreibe weiter“, sagt er. „Inspiration kommt beim Tun, nicht beim Träumen.“ Vielleicht ist das die journalistische Schule, die in ihm weiterlebt. Er weiß, dass Worte Gewicht haben, dass jedes Detail stimmen muss.

Kriminalliteratur ist auch Gesellschaftsliteratur

Doch Krimis sind für ihn mehr als Recherche. Sie sind seine Art, die Welt zu ordnen. „Schon als junger Mann las ich amerikanische Autoren wie Ross Macdonald und Raymond Chandler, und sie lehrten mich, dass gute Kriminalliteratur immer auch Gesellschaftsliteratur ist“. Wickerts Bücher sind moralische Spiegel. Elegant, klug und voller leiser Ironie.

Ulrich Wickert (ca. 50 Jahre alt) steht auf einer Brücke über die Seine in Paris.
Ulrich Wickert (damals 50) auf einer Seinebrücke in Paris. Von 1984 bis Mitte 1991 war er Leiter des ARD-Studios in der französischen Hauptstadt Foto: picture alliance/United Archives

Mit seinen Büchern um Jacques Ricou und Margaux hat Wickert seine eigene literarische Welt geschaffen. Keine leichten Heldenklischees, sondern Ermittler mit moralischem Kompass in der rauen Wirklichkeit. Er bleibt seinem Stil treu. „Die Figuren verändern sich nicht, weil die Leser sie so lieben. Sie dürfen sich bei mir auf Vertrautes verlassen“, sagt er. Die Welt dahinter aber entwickelt sich rasant. Und bei Wickert, so erklärt er, heißt Spannung nicht nur „Wer ist der Täter?“, sondern auch: „Was sagt diese Tat aus über unsere Gesellschaft?“

Ulrich Wickert ist inzwischen Urgroßvater

Ulrich „Uli“ Wickert ist inzwischen zweifacher Urgroßvater, verrät er BILD. Und ja, er blicke auf ein erfülltes Leben. Und doch spürt man in jedem Satz die Leidenschaft eines Mannes, der noch immer brennt für das Schreiben, für das Erzählen, für die Welt. „Ich schreibe für mich. Nicht für Trends, nicht für Klicks, sondern für das Erzählen und die Wahrheit, die dahinter leuchtet.“

Tanja May