Ulrich Wickert

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Starkes Plädoyer für Werte

27.09.2012, Kölner Stadt-Anzeiger

Der frühere Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert lockte 1100 Zuhörer ins Kulturkino Vogelsang. Auf Einladung der VR-Bank Nordeifel sprach der Autor mehrerer Bücher dort über Wirtschaft und Ethik.

Schleiden-Vogelsang. Der Redner erwies sich als Zugpferd: Knapp 1100 Menschen waren zum Werteforum der VR-Bank Nordeifel in das Kulturkino Vogelsang gekommen, um zu hören, was der ehemalige Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert über das Thema „Werte schaffen Werte“ zu sagen hatte. Um dem Andrang gerecht zu werden, hatten die Veranstalter noch weitere Sitzreihen aufstellen lassen. Auch wenn die Veranstaltung sich im Laufe des Abends zu einer Werbeaktion für die Genossenschaftsbanken entwickelte, war Wickerts Rede durchaus hörenswert.

Der Autor mehrerer Bücher zum Thema „Werte“ plauderte locker und mit vielen biografischen Anekdoten versehen, wie wirtschaftliches Handeln sich mit Moral und Ethik verträgt. Vor allem bezog er sich auf Emile Durkheim, einen französischen Soziologen, der Anfang des 20. Jahrhunderts untersuchte, wie Regeln durch Erziehung in die Gesellschaft kommen.

Ohne Ethik geht es nicht

Zuerst beschrieb Wickert, wie wichtig Regeln für das Funktionieren der Wirtschaft seien. „Unabhängigkeit von Ethik ist absurd“, konstatierte er. Gewinnstreben dürfte nicht alles rechtfertigen, fuhr Wickert fort und begründete dies mit dem aktuellen Beispiel eines französischen Pharmakonzerns, dessen Medikament Tausende Tote gefordert hatte.

Immer wieder widersprach Wickert den Wirtschaftswissenschaftlern, die die Beachtung von ethischen Regeln für überflüssig halten. „Gewinn und Ethik ist kein Widerspruch“, postulierte er, und lieferte gleich mehrere Beispiele dafür. „Gewinn sollte nicht das einzige Ziel der Handlung sein“, forderte der Redner und erinnerte daran, dass Unternehmen immer noch Mitglieder der Gesellschaft seien. 

Auch stellte er dem Begriff „Freiheit“ die „Verantwortung“ gegenüber, die jeder in dieser Gesellschaft für den anderen habe. Die angesprochenen „Werte“ seien die gesellschaftlichen Regeln. Die Menschen müssten aber wieder Verantwortung für die Beachtung dieser Regeln und damit für die Gemeinschaft übernehmen. „Wir haben vergessen, häufiger zu korrigieren“, meinte Wickert, und führte aus, dass Gemeinnutz immer noch vor dem Eigennutz gehe. „Nicht die Wirtschaft gibt die Regeln des Handelns vor. Die Gemeinschaft bestimmt, nicht die einzelnen Teile“, sagte Wickert weiter.

Er sprach abschließend die Zuhörer persönlich an: „Wenn Sie wollen, dass sich etwas ändert, dann müssen Sie etwas tun.“ Dafür präsentierte er drei Ansätze. Als erstes sollte jeder die Folgen seines Tun bedenken. Darüber hinaus sei ehrenamtliches Engagement wichtig, und schließlich sollten die Zuhörer auch einmal bereit sein, auf etwas zu verzichten, wenn dabei Schaden für andere zu befürchten sei. 

Leicht verständliche Beispiele

Sympathisch, eloquent und immer wieder mit kleinen Gags gelang es Wickert, die etwas trockene soziologische Materie des gemeinschaftlichen Handelns darzustellen und auch mit leicht verständlichen Beispielen zu versehen. Von dem Plädoyer für die Gemeinschaft war es kein großer gedanklicher Sprung zu dem genossenschaftlichen Prinzip, dessen Vorzüge Wickert gern bewirbt.

Nachfolgend kamen zur Podiumsdiskussion noch Bernd Altgen, Vorstandsvorsitzender der VR-Bank Nordeifel, Hans Pfeifer, Vorstandsvorsitzender des Rheinisch-Westfälischen Genossenschaftsverbandes, und Dr. Christian Brauckmann, Vorstandsmitglied der Zentralbank von Volks- und Raiffeisenbanken WGZ-Bank auf die Bühne. Somit standen drei Genossenschaftsbanker auf der Bühne, die gemeinsam das Hohelied der Volks- und Raiffeisenbanken sangen.

Dass damit keine kontroverse Diskussion zustande kommen konnte, wurde schnell klar. Stattdessen wurde das System der Genossenschaft als Antwort auf so ziemlich alle gesellschaftlichen Fragen dargestellt. 

Freiheit und Verantwortung

Ebenso einhellig wurde die Verantwortung für das Entstehen der Finanzkrise und den Beinahe-Crash des Bankensystems bei dem Handeln der anderen Geschäftsbanken gesehen.

Die angeblich so biederen Genossenschaftsbanken seien dagegen auf dem Höhepunkt der Krise der stabilisierende Faktor gewesen. Einzig Brauckmann deutete an, dass wahrscheinlich der komplette Bankensektor in Deutschland zusammengebrochen wäre, wenn die Regierung sich nicht 2008 zu dessen Rettung entschlossen hätte.

Zweieinhalb Stunden dauerte die Veranstaltung mittlerweile, und nach der Beantwortung einiger Fragen aus dem Publikum beendete Altgen den Abend, da, wie er erklärte, schon die ersten Zuschauer mit Kreislaufproblemen behandelt werden mussten. „Wir haben einige interessante Denkanstöße erhalten“, war anschließend der überwiegende Tenor der Gäste, bevor sie nachdenklich zu den bereitgestellten Bussen gingen, um die Heimreise anzutreten.

Stephan Everling