Ulrich Wickert

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„Salut les amis“ in Homburg: Ulrich Wickert erhält den Deutsch-Französischen Freundschaftspreis beim Lesefest HomBuch

12.09.2025, homburg1.de

Vor dem Siebenpfeifferhaus glänzten die Pflastersteine noch feucht vom Regen. Dann, pünktlich zum Einlass, riss der Himmel auf – als wolle er Platz machen für einen besonderen Abend. Drinnen stimmte Nicole Havener mit dem Akkordeon französische Melodien an, und schon lag ein Hauch Paris über Homburg.

Ulrich Wickert lächelt in die Kamera, vor ihm seine Bücher
Foto: Stephan Bonaventura

Zwischen den alten Gemäuern, in denen einst für Pressefreiheit gestritten wurde, nahm Ulrich Wickert im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal Platz. Der frühere „Tagesthemen“-Anchor war zum Lesefest gekommen, um über sein neues Buch „Salut les amis“ zu sprechen – über 400 Jahre voller Kriege und Versöhnung, über Nachbarschaft, die nur funktioniert, wenn man sie lebt. Doch bevor er das Wort ergriff, wartete eine besondere Ehrung: Bei der HomBuch wurde ihm der Deutsch-Französische Freundschaftspreis verliehen. Die Laudatio hielt niemand Geringeres als Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.

Ein Preis mit Aussage

Der Moment der Auszeichnung war festlich und persönlich zugleich. Hans-Joachim Burgardt überreichte den Deutsch-Französischen Freundschaftspreis an Ulrich Wickert – und betonte, wie sehr dessen Lebenswerk die Freundschaft zwischen den Nachbarn geprägt hat. Dann trat Ministerpräsidentin Anke Rehlinger ans Mikrofon. Und schnell wurde klar: Diese Laudatio würde kein formaler Programmpunkt, sondern ein leidenschaftliches Plädoyer.

Sie begann mit einem Rückblick. Mit der Schuman-Erklärung, die das Fundament für das heutige Europa legte. Mit der Saar-Abstimmung 1955, die den Saarländern die freie Entscheidung überließ – ein Geschenk Frankreichs, wie sie betonte, das man bis heute nicht vergessen dürfe. Und mit der Geschichte einer Region, die lange Zankapfel war, um Kohle, Stahl und Grenzen, und die heute stolz auf ihre Rolle als Brücke blickt.

Rehlinger machte den Weg vom Nachteil zur Stärke greifbar: Früher war das Leben an der Grenze beschwerlich, verbunden mit Zöllen, Pässen, Stacheldraht. Heute sei es ein Reichtum, der das Saarland einzigartig mache. Sie erzählte von Familien mit mehreren Pässen, vom morgendlichen Pendeln nach Lothringen und dem abendlichen Einkaufen in Homburg, von Menschen, die selbstverständlich hüben wie drüben ärztliche Versorgung nutzen. „Wir sind keine Randlage“, sagte sie, „wir sind Grenzland-Europäer.“

Ministerpräsidentin Anke Rehlinger am Pult auf dem Lesefest HomBuch
Ministerpräsidentin Anke Rehlinger – Foto: Stephan Bonaventura

Doch ihre Rede blieb nicht in der Vergangenheit. Sie warnte vor der Gefahr, Frieden und offene Grenzen für selbstverständlich zu halten. 40 Jahre Schengen, erinnerte sie, sollten eigentlich ein Grund zum Feiern sein – stattdessen seien Grenzkontrollen in Europa zuletzt wieder verschärft worden. Ein Rückschritt, der gerade hier im Saarland besonders spürbar sei.

Rehlinger schlug den Bogen weiter zur Gegenwart: zum Krieg in der Ukraine, der gezeigt habe, wie zerbrechlich Sicherheit sein könne; zur Aufgabe Europas, demokratische Werte und Freiheit zu schützen. Sie erinnerte daran, dass das Saarland schon immer ein Scharnier zwischen Deutschland und Frankreich gewesen sei – und dass es genau diese Rolle brauche, um Europa auch in Zukunft zusammenzuhalten.

Und dann kam sie zurück zum Preisträger. Ulrich Wickert, so Rehlinger, habe Frankreich nicht nur journalistisch erklärt, sondern es den Menschen nähergebracht. Er habe gezeigt, dass Freundschaft zwischen Ländern nicht nur in Verträgen entsteht, sondern im Verstehen des Alltags, der Kultur, der Sprache. „Als literarischer Botschafter haben Sie viel dazu beigetragen, dass aus Nachbarschaft Nähe geworden ist.“

Das Publikum dankte mit langem Applaus – und es war spürbar, dass diese Laudatio nicht nur Ulrich Wickert galt, sondern auch ein Stück weit der Region selbst, unserem schönen Saarland und seinen tollen Nachbarn.

Frankreichs Gegenwart, nüchtern betrachtet

Wickert selbst sprach zur aktuellen Lage in Frankreich. Ja, die politischen Spannungen seien groß. Aber entscheidend sei nicht, ob es gerade laut zugeht – sondern ob das Land handlungsfähig bleibt: Mehrheiten bilden, Defizite abbauen, Reformen mit Augenmaß. Keine Panik, sondern pragmatische Politik. Und er blieb bei einer seiner Kernthesen: Europa kommt nur voran, wenn Berlin und Paris gemeinsam handeln. Reden beide aneinander vorbei, stockt die EU. Finden sie zueinander, entsteht Gestaltungskraft – in der Sicherheitspolitik genauso wie bei Technologie und Wirtschaft.

Sprache beginnt schon in der Schule

Für Wickert ist Verständigung kein abstraktes Wort, sondern Alltag. Sprache sei dabei der Schlüssel. „Wenn immer weniger Jugendliche die Sprache des Nachbarn lernen, verlieren wir etwas Entscheidendes“, so seine Mahnung. Und was er mahnt, ist leider viel zu oft schon alltäglich. Austauschprogramme, Städtepartnerschaften, Jugendwerke – sie tragen nur, wenn man sich wirklich versteht. Gerade das Saarland habe mit seiner besonderen Lage die Chance, Nachbarsprache lebendig zu halten.

Symbolik ist nur der Anfang

Immer wieder kamen auch die großen Gesten zur Sprache – die Bilder, die in Erinnerung bleiben. Händedrücke, gemeinsame Auftritte, sichtbare Zeichen der Annäherung. Wickert ordnete sie ein: Symbole seien wichtig, aber sie dürften nicht leer bleiben. Auf Gesten müssen konkrete Schritte folgen – gemeinsame Projekte, abgestimmte Politik in Industrie, Verteidigung oder Energie. Nur so bleibe Europa belastbar.

Ulrich Wickert im Gespräch mit dem Moderator auf dem Lesefest HomBuch
Foto: Stephan Bonaventura

Vom Krieg zur Normalität – und warum das verpflichtet

Besonders eindringlich wurde Wickert, als er auf den langen Weg verwies, den Europa hinter sich hat. 23 Kriege in 400 Jahren zwischen Deutschen und Franzosen – und heute, für viele junge Menschen, der Frieden als Normalzustand. Diese Normalität, betonte Wickert, sei kein Zufall, sondern eine historische Ausnahmeleistung der letzten Jahrzehnte. Er erzählte, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer Pressekonferenz in Armenien genau diesen europäischen Weg als Beispiel nannte – als Hoffnung für Länder, die heute noch in Konflikten gefangen sind. Die klare und eindringliche Botschaft, die im Raum blieb: Frieden erklärt sich nicht von selbst. Er ist eine Aufgabe.

Ein Haus der Pressefreiheit – und ein Abend für Europa

Dass dieser Abend ausgerechnet im Siebenpfeifferhaus Homburg stattfand, verlieh ihm eine zusätzliche Schicht. Dort, wo einst die ersten Kämpfe für Pressefreiheit geführt wurden, wurde deutlich: Demokratie und Verständigung sind keine statischen Errungenschaften. Zum Schluss blieb das Bild eines Abends, der Politik nicht abstrakt, sondern für alle greifbar machte. Wickerts Buch lädt dazu ein, nicht nur nachzulesen, sondern nachzudenken – und Europa nicht zu beschwören, sondern zu leben.

Ein Ritterschlag

Ja, es war wirklich ein lebendiger Abend in Homburg, der Geschichte, Gegenwart und auch die Zukunft Europas miteinander verband. Der Freundschaftspreis für Ulrich Wickert darf nicht nur als Ehrung gesehen werden: Er ist das Signal, dass Verständigung nur funktioniert, wenn man sie mit Herzblut betreibt – Tag für Tag. Und dass bei dieser Traditionsveranstaltung eine Größe wie Wickert ebenso wie Ministerpräsidentin Rehlinger anwesend waren, zeigt welchen Charakter und welche Wertigkeit und Stellenwert das Lesefest HomBuch mittlerweile hat. Ein Ritterschlag.

Von Stephan Bonaventura