Artikel über mich
Ulrich Wickert in Homburg: Schatzkiste voller Anekdoten
15.09.2025, Die Rheinpfalz
Er ist noch immer „Mister Tagesthemen“ und berichtete lange aus Frankreich: Ulrich Wickert. Bei der Hombuch spricht er von einem Skandal.
Was für ein Glück für die Besucher im vollbesetzten Homburger Siebenpfeifferhaus, dass der junge Ulrich Wickert beschloss, einen Artikel über den Pariser Eiffelturm an die Rhein-Neckar-Zeitung zu schicken. Sonst wäre er jetzt nicht hier, sondern hätte vermutlich sein Berufsleben in Gerichtssälen verbracht. Denn er hat Jura studiert. Er sah, wie entspannt die Arbeit seines Vaters als Diplomat war: „Er ging um neun ins Büro, kam zum Mittagessen nach Hause, machte Siesta, und ging abends mit berühmten Leuten aus. Super Beruf, das mach ich auch.“
Ulrich Wickert (82) ist vieles: Ein toller Schreiber, ein ebenso guter Erzähler, ausgestattet mit einem scharfen Blick für Menschen. So gewährt er einen interessanten, mal fesselnden, mal humorvollen Blick hinter die Kulissen der Politik. Er erzählt viel, Michael Thieser gibt als Interviewer die thematischen Anstöße, und Wickert liest auch ein paar Passagen.

Texte für die Schülerzeitung
Nach seinem ersten Eiffelturm-Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung (die Familie lebte bis zum Umzug nach Paris in Heidelberg), wollte das Blatt mehr Texte. In Paris schrieb er für eine Schülerzeitung, bekam bei anderen Zeitungen bald Honorar – „60 Mark für einen Text, und – was mich wunderte – 70 fürs Foto, wobei ich ja an einem Text ewig sitze“ –, und schrieb Beiträge unter anderem für den Hessischen Rundfunk. Der Beruf als Diplomat war nun endgültig gestorben.
Ab 1984 leitete Wickert das Pariser ARD-Studio, arbeitete sich in die französische Politik ein und war hautnah bei den Menschen und ranghohen Politikern und begleitete jahrzehntelang die französischen Präsidenten. Er erzählt von der Freundschaft Helmut Schmidts mit dem damaligen Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing. Sie führten die Tradition ein, dass der neugewählte deutsche Kanzler oder der neue französische Präsident stets zuerst das Nachbarland besucht. Oder davon, wie Schmidt die geliebten Esel von Präsident Mitterrand beleidigte („Esel sind wie Philosophen. Sie starren in die Ferne und denken an nichts“). Es ist, als würde Wickert eine Schatzkiste öffnen und die Anekdoten daraus hervorholen.
Neugier und Vertrauen
Journalistische Arbeit sei zum einen getragen von Neugier, zum anderen von Vertrauen. Vertrauen musste er sich in Paris zu Anfang seiner Arbeit erstmal erarbeiten. Er knüpfte Kontakte, machte sich bald einen Namen, und war live bei so manchen skurrilen Ereignissen dabei.
Sein Einsatz brachte ihm am Donnerstag den deutsch-französischen Freundschaftspreis ein, der zum achten Mal verliehen wurde. Die Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) hielt die Laudatio und sprach vom Saarland als „Scharnier zwischen Deutschland und Frankreich“.
Von Hamburg nach Homburg
Wenn man im Siebenpfeifferhaus ankommt, wird man von Nicole Jeannes Akkordeonklängen empfangen. Sie spielt französische Lieder, auch von Edith Piaf, und begleitet Autor und Polit-Prominenz, als sie in den Saal gehen.
Wie ist Wickert in Homburg angekommen? Als er nachgeschaut hat, wie man mit dem Zug von Hamburg nach Homburg kommt, merkte er, „das geht gar nicht“. Veranstalter Hans-Joachim Burgardt holte ihn in Frankfurt ab, wo er hingeflogen war.
Komplexe Sachverhalte
Er weiß, wie man die Leute unterhält und kann komplexere Sachverhalte gut erklären. Er sagt, in der französischen Politik passieren in letzter Zeit viele Dinge, die man nicht verstehe. Wickert findet, es sei ein „Skandal, dass die französische Sprache viel zu selten gelehrt wird.“ Das solle man ändern.
Merz habe Macron schon, lange bevor er Kanzler wurde, gezeigt: „Ich bin anders als Scholz.“ Das sei wichtig, denn: „Europa geht nur dann voran, wenn Deutschland und Frankreich es zusammen machen.“ In den letzten 400 Jahren habe es 23 Kriege zwischen Deutschland und Frankreich gegeben. „Die Entwicklung in den letzten 70 Jahren ist ungeheuerlich. Wir können froh sein, dass wir in der Normalität angekommen sind.“
Patrick Göbel