Ulrich Wickert

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Ulrich Wickert: Ich kann umbringen lassen, wen ich will

24.11.2010, Kreis-Anzeiger

Ex-Tagesthemen-Moderator präsentiert bei „Friedberg lässt lesen“ seinen neuen Kriminalroman – Amerikanische Krimis haben es ihm angetan

(KA). Es war beinahe so wie früher. „Guten Abend, meine Damen und Herren“, begrüßte Ulrich Wickert die über 400 Besucher in der proppenvollen Aula der Augustinerschule Friedberg. Den aufbrandenden Beifall kommentierte er süffisant: „Ich wollte Sie schon immer mal sehen.“

15 Jahre leitete der ehemalige Auslandskorrespondent der ARD die „Tagesthemen“, prägte durch sein zurückhaltendes Auftreten wie durch seine Kenntnis und sein feines journalistisches Können das Fernsehbild der Deutschen. Die Bühne sucht Wickert noch immer – nun als erfolgreicher Autor. Im Rahmen der OVAG-Reihe „Friedberg lässt lesen“ stellte er jetzt seinen vierten Kriminalroman vor, der den Titel „Das achte Paradies“ trägt.

„Warum ich jetzt auch noch Krimis schreibe?“, schickte Wickert eine rhetorische Frage vorweg, die er, natürlich, selbst beantwortete, gewohnt nonchalant-ironisch: „Weil ich nicht Golf spielen kann.“ Während seines früheren Aufenthaltes als Korrespondent in Washington und New York sei er gewissermaßen auf den Geschmack gekommen: „Gerade die amerikanischen Krimis haben es mir angetan.“ Etwa Raymond Chandler, den er für seine „Leichtigkeit“ im Schreiben bewundere.

Wickert schilderte, wie er bei seinem ersten Kriminalroman zur Handlung und zum Plot kam und für welchen Stil er sich entschieden habe. Was er überhaupt nicht möge, seien Bücher wie „Die Frau in Weiß“ von Wilkie Collins oder die Poirot-Geschichten von Agathe Christie. „Da verschwindet der Detektiv für einen Tag, erfährt etwas, hält es dem Leser vor, und am Ende gibt es eine Überraschung. Das ist nicht fair.“ Er habe sich eher an den Chandler-Ermittler Philip Marlowe gehalten. „Da ist der Leser immer auf gleicher Höhe mit der Romanfigur. Das nenne ich die Demokratisierung des Krimis.“

Ein Detektiv aber, so Wickert, hätte nicht so recht nach Frankreich gepasst, wo er selbst ein Domizil im Süden besitzt und wohin er die Handlung von Beginn an verlegen wollte. Also kam er auf einen recht ungewöhnlichen Ermittler: einen Untersuchungsrichter namens Jacques Ricou. „Der Untersuchungsrichter hat in Frankreich eine ungleich exponiertere Stellung als in Deutschland. Er ist dort absolut nicht weisungsgebunden“, erläuterte Wickert. „Er kann unerbittlich vorgehen, was dazu geführt hat, dass in jüngster Vergangenheit einige umgebracht wurden. Und ich behaupte mal: Das war nicht immer nur die Mafia…“

Im neuen Fall nimmt es Jacques Ricou mit der georgischen Mafia auf und kommt einem internationalen Finanzbetrug auf die Schliche. Bevor es richtig zur Sache ging, bezirzte Wickert die Zuhörer erst einmal mit einer beschaulichen Szene, die es den meisten einfach machte, sich nach Frankreich zu versetzen: Jacques Ricou beim Frühstück am angestammten Bistrotisch à la terrasse, einen Café crème trinkend, in ein Croissant beißend. Doch so idyllisch bleibt es nicht lange. Schließlich stöbert der Richter einen Mafioso in einem Hotel auf. Nackt, weil gerade im Liebesspiel vergessen, flüchtet er wie Gott ihn schuf auf dem Fahrrad durch Paris und entkommt in einen Keller. Zunächst…

Ob Ricou nicht einige Züge von ihm selbst habe, werde er oft gefragt. „Ja, mag sein. Vor allem trinke ich wie er ab und zu Whiskey. Ich aus gesundheitlichen Gründen, er aus Genuss.“ Was ihm mit am meisten Spaß bereite: „Ich kann umbringen lassen, wen ich will. Und wenn es mir gefällt, lasse ich einen auf eine Mine treten“, schilderte er maliziös.

Für alle, die erst mit dem vierten Buch in die Ricou-Reihe einstiegen, verwies Wickert, sei das überhaupt kein Problem. „Ich empfehle sowieso, die Folgen von hinten nach vorne zu lesen.“ Clever angelegt. „Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht“, verabschiedete sich Ulrich Wickert nach anderthalb Stunden von der Bühne. Und es war beinahe wie früher, als er die Fernsehzuschauer mit diesen Worten aus dem Tagesgeschehen entließ.